Töpfermarkt Alzey lockt Besucher aus Rhein-Main-Gebiet

Zauberhafte Keramiken für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel: Das zeichnet den Töpfermarkt in Alzey aus.

Von Elena Emmy Weis
(Artikel aus der Allgemeinen Zeitung vom 07.11.2022)

ALZEY – Während man die kunstvoll gefertigten Obstschalen, Tassen und Vasen vielleicht gern alle ins Regal stellen würde, sollte man deren Produzenten keinesfalls in dieselbe Schublade stecken, erklärt Wilhelm Schmitz. Er hat den Überblick über die dreißig Aussteller des Töpfermarktes, die sich über den Hof des Stadtweingutes und dem gegenüberliegenden Burggrafiat verteilen. Das Geschirr nebst Feuerschalen, Seifenschälchen oder Ohrringen unterscheidet sich nämlich längst nicht bloß in Steingut und Porzellan, sondern in der verschiedenen Technik der Verzierung, im Stil, und nicht zuletzt in der Wahl des Brennvorgangs im Elektro-, offenen Gas-, oder Holzofen.
 
Obwohl es den Töpfermarkt schon seit über drei Jahrzehnten gibt, scheint er nichts an Attraktivität eingebüßt zu haben. „Wir haben hier eben gleichbleibend hohe Qualität, Geschirr ist ein Gegenstand des täglichen Gebrauchs und jedes Teil ist individuell“, weiß Schmitz. Bereits am Eröffnungstag seien zahlreiche Autokennzeichen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet auf den Parkplätzen gesichtet worden. Wie jedes Jahr sind auch 2022 wieder rund 2500 persönliche Einladungen an Besucher aus den Vorjahren entsandt worden, um sie an die Veranstaltung zu erinnern. Solch eine hat auch Viola Bergmann erhalten. Ursprünglich war sie einmal mit ihrem Sohn auf dem Markt, hat sich ins Gästebuch eingetragen und freut sich seither über den Informationsbrief: „Ich selbst töpfere hobbymäßig und genieße die tolle Atmosphäre, die schöne Dekoration der Stände und die guten Töpfer hier.“ Mit Ausnahme der Coronajahre war sie stets vor Ort.
 

Den richtigen Ton getroffen

Von Jan Haugner (10.November 2018)

ALZEY – Krokodile, Schlangen und zwitschernde Vögel – Alzey hat zwar keinen Zoo, echt genug sehen die Tiere aber allemal aus. Neben Tellern, Blumentöpfen und Co. finden sich auch zahlreiche tierische Produktionen auf dem Töpfermarkt. Bei der 32. Auflage präsentieren wieder ebenso viele Aussteller ihre Erzeugnisse in den Höfen des Burggrafiats und Stadtweinguts. „Das ist wirklich eine hochwertige Veranstaltung“, lobt Werner Klas. Besonders die Abwesenheit von billig produzierten Keramikprodukten freut den Fachmann. Gemeinsam mit seinem Kollegen Georg Mathes ist er für die Sonderausstellung „ceraReptilia“ verantwortlich. Seit 25 Jahren betreibt er mit seinem Kollegen eine Werkstatt in Hilgert bei Koblenz. Dort stellen sie Tierskulpturen aus Ton her. Wer sich dem Stand nähert, erkennt sofort, dass der Fokus auf Reptilien liegt. Schlangen mit funkelnden Augen und Geckos, die majestätisch auf Ästen thronen, schmücken die Ausstellungsfläche. Besonders sticht das teuerste Stück hervor, wer 690 Euro zahlt, kann ein braun-geschupptes Krokodil mitnehmen. In Lauerstellung steht der Räuber auf dem Boden und blickt den Betrachter an. Nach zahlreichen Arbeitstagen, Modellierarbeiten und 1230 Grad im Brennofen ist aus dem ehemals hochbrennenden Steinzeug ein echtes Kunstwerk geworden.
Etwas alltagstauglicher geht es bei den regulären Ausstellern zu. Hier finden sich Teller, Müslischalen, Eierbecher und Co. in allen Farben und Formen. Egal ob stilvoll schwarz-weiß, klassisch braun oder eher ausgefallen mit geflügelten Schweinen, jeder Geschmack wird bedient. Auch wer etwas für den kleinen Geldbeutel sucht, wird hier fündig. Getöpferte Blumenstecker für zwei Euro, Eierbecher für fünf oder die Müslischale für 14 findet man hier ebenso wie die Espressotasse mit Untersetzer für 23 Euro oder einen dekorativen Teller für knapp 100. Der Käufer kann sich dabei stets darauf verlassen, dass er ein echtes Stück Handwerkskunst in den Händen hält.Wie in den vergangenen Jahren, konnten die Veranstalter wieder aus einer Vielzahl hochkarätiger Bewerbungen wählen. Auf die Ausstellerliste hat es 2018 auch wieder Martin Lietsch geschafft, seit Jahren ist der Künstler aus der Nähe von Gießen Stammgast. Ob Udu, Okarina oder Cuica, bei dem Experten gibt es reichlich Auswahl. Doch wovon eigentlich? Ein Udu sieht ungefähr aus wie eine große rundliche Blumenvase mit einem zusätzlichen seitlichen Loch, schlägt man darauf, gibt das afrikanische Percussioninstrument Töne von sich. Ein Cuica aus Brasilien gleicht einer Trommel mit Stab in der Mitte, zieht man daran, quietscht sie laut. Für Begeisterung sorgt Lietschs Vorführung seiner zwitschernden Okarinas: „Das hast du toll gemacht“, lobt ein Besucher. Bunt bemalt in Form eines kleinen Vogels sind die Flöten auch äußerst dekorativ. „Ich bin vorhin mal rumgegangen, man sieht tolle Designs, gute Arbeiten von ausgewählten Kollegen“, freut sich Martin Lietsch.
Wer sich für den anbrechenden Winter eindecken will, findet neben Adventskränzen auch Keramik-Feuerschalen. Einladend knistert darin ein Feuer zwischen den großen Stahltoren des Stadtweingutes.

Alzeyer Töpfermarkt bietet hochwertige Keramik

Von Thomas Ehlke (6. November 2018)

ALZEY – Der Leguan liegt lauernd auf einem morschen Ast, die Augen starr einen Punkt im Raum fixierend. Es scheint, als schnelle jeden Moment seine klebrige Zunge hervor, um ein Insekt zu fangen. Doch das wird nicht geschehen. Denn der Leguan ist aus Ton gebrannt, leblos also, und wirkt doch so lebendig. Das gilt auch für die anderen exotischen Geschöpfe, die die beiden Keramiker Georg Mathes und Werner Klas geschaffen haben und die beim 32. Alzeyer Töpfermarkt am Wochenende in der Sonderausstellung „ceraReptilia“ zu sehen sind.
Skulpturen setzen Kontrapunkt im Angebot
„Man muss mit Farben arbeiten, die bei den hohen Temperaturen des Brennvorgangs am Ende auch die gewünschte Farbgebung erhalten“, sagt Frank Jung zur Authentizität der Werke. Der Sprecher des „Freundeskreises Töpfermarkt Alzey“ hält die organisatorischen Fäden in Händen. Dass die Wahl bei der Bestückung der Sonderausstellung auf Mathes und Klas gefallen ist, verwundert nicht, haben sich beide in der Szene schon seit mehr als zehn Jahren mit ihren naturalistischen Tierdarstellungen einen Namen gemacht. „Das ist eine hohe Kunst“, unterstreicht der Münchwalder die besondere Qualität der irdenen Reptilien. Die Skulpturen setzen einen Kontrapunkt zum übrigen Angebot des Töpfermarktes.
Der bietet auch in seiner 32. Auflage wieder hochwertige, handgefertigte Gebrauchskeramik vom Eierbecher bis zur großen Obstschale. Die Produkte stammen aus Werkstätten aus dem gesamten Bundesgebiet; viele der Aussteller sind preisgekrönt. Und die hohe Qualität der Produkte ist es auch, die den Markt zu den führenden Ereignissen des Genres in der Republik gemacht hat. Andernorts gibt es zwar mehr Aussteller, aber bei der qualitativen Dichte ist der Alzeyer Markt ganz weit vorne.
 

DATEN & FAKTEN

Der 32. Alzeyer Töpfermarkt findet von Freitag, 9., bis Sonntag, 11. November, in Stadtweingut und Burggrafiat statt. Geöffnet ist er am Freitag von 14 bis 18 Uhr, am Samstag von 10 bis 18 Uhr und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr. 32 Meisterwerkstätten bieten Gebrauchsgeschirr, handwerkliche Kleinserien und Unikate zum Verkauf an. Dem Markt angegliedert ist die Sonderausstellung „ceraReptilia“.

Das belegt auch die Tatsache, dass beim Freundeskreis alljährlich neue Bewerbungen von namhaften Keramikern eingehen, die jedoch nur bedingt berücksichtigt werden können. „Wir können aber nicht mehr als die 32 Standplätze vergeben, die wir gegenwärtig haben“, verweist Jung auf Kapazitätsgrenzen in den Höfen von Stadtgut und Burggrafiat.

Voll des Lobes ist Frank Jung mit Blick auf das Publikum. „Die Leute sind sehr fachkundig und wissen die gebotene Qualität zu schätzen“, stellt der Sprecher des Freundeskreises fest. Meckereien über zu hohe Preise gebe es deshalb nicht. Jung wertet die Tatsache, dass Besucher aus dem Raum Mainz/Wiesbaden/Frankfurt, aber auch aus Mannheim, Kaiserslautern und sogar Karlsruhe nach Alzey kommen als Zeugnis dafür, dass den Kunden der Töpfermarkt eine längere Anreise wert ist.
Für die Verköstigung der Besucher sorgt auch diesmal wieder das Team vom Stadtweingut mit Leckereien und eigenen Erzeugnissen.

Der Alzeyer Töpfermarkt zeigt hochwertige Keramik – noch bis Sonntag.

Von Meike Hickmann (4. November 2017)

ALZEY – Zwei Stunden sitze sie an der Form – die bauchige Füllform, die schmale Tülle, der Deckel, der Knauf, alles einzeln. Dann noch vier Tage und vier Nächte im Holzbrandofen bis schließlich eine Teekanne auf dem Töpfermarkt in der Schlossgasse stehen könne, der seit Freitag geöffnet hat. „Hinter zehn Minuten Arbeit stecken Jahrzehnte Erfahrung“, sagt Susanne Lukács-Ringel. Seit 35 Jahren arbeitet sie als Keramikerin, sie habe ihren Stil gefunden. Jedes Jahr komme sie nach Alzey zum Markt. „Es ist wie eine Familie, man kennt sich, fragt sich, wie das Jahr war“, sagt sie.
Einmal im Jahr werfe sie an ihrem Haus, das hinterste in einem schwäbischen 100-Einwohner-Dorf, den Holzbrandofen an. 15 Kubikmeter Holz werden dann verfeuert, ein bisschen landet als Asche auf dem Geschirr, um verwaschene Schatten zu hinterlassen. Mit Steinzeug habe sie angefangen, das ist bei 1300 Grad gebrannter Ton, ritz- und spülmaschinenfest, inzwischen liege ihr Schwerpunkt auf salzglasiertem Porzellan. Keramik heißt es alles – Porzellan, als sehr reine Masse ist eine Extragruppe. Irdenware und Steingut sind niedriger gebrannte Keramik.

Ein Mann fragt nach dem Preis einer großen, ovalen Vase mit ausgefallener Struktur, Lukács-Ringel nennt einen dreistelligen Betrag. Es stecke nun mal lange Arbeit dahinter – aber man habe ja auch lange Freude daran. „Handgearbeitetes hat eine Seele“, sagt sie. Dann entdeckt sie eine Frau, die vorsichtig eine der fein ziselierten Tassen wendet. „Sie ist jedes Jahr meine erste Kundin“, flüstert Lukács-Ringel und wendet sich ihr zu.
Ulrich Witzmann kommt auch jedes Jahr her – dieses Jahr mit seinen Brunnen als Sonderaussteller. „Lebendiges Wasser“ ist der Titel, Inspiration fand er in der Trockenheit, auf 4500 Metern in Peru. Die Puya Raimondii warte auf die Regenzeit, dann lasse sie einen 15 Meter hohen Blütenstamm wachsen, den sie mit Wasser versorgt. Herkömmliche Pumpen schaffen nur zehn Meter. Vom rundlichen Wuchs vor der Fruchtreife bis zum Absterben mit hängenden Blättern – die verschiedenen Formen der Pflanze finden sich wieder in seinen Brunnen. Rillen erzeugen eine Wellenoptik des abfließenden Wassers, jeder plätschert anders. „Eine dezente Akustik“, nennt das der Nieder-Olmer Künstler. Der schönste Moment bei der Arbeit? „An der Drehscheibe, wenn aus einer Masse langsam ein Zylinder wird“, sagt er.
Tassen, Teller, Ölkännchen, Seifenspender, Vogelhäuschen, sogar einen Grill gibt es aus Keramik. Susanne Altzweig tarnt sich fast mit ihrer bunten Strickjacke zwischen ihren Ausstellungsstücken. Ihr Thema, unschwer zu erkennen: Farbe. Sogar ihr Haar schimmert bläulich. Die Formen sind schlicht, ohne Absätze, so sei Platz für das helle Grün des Frühlings oder das tiefe Rot des Herbstes. „Ich liebe die leisen Töne, aber auch die kräftigen“, sagt sie und streicht über einen Teller, in dem Blau und Violett verschwimmen wie in einem Aquarell. Zuerst brenne sie die Formen auf 930 Grad vor. Dann schwemme sie Tonreste mit Wasser auf und mische die Farbpigmente ein – „das hat dann die Konsistenz von Joghurt“, sagt sie. Damit malt sie auf den Ton und brennt nochmal bei 1200 Grad.
Sie schätze das hohe Niveau des Alzeyer Marktes sehr. Statt einer Aussetzregel, um immer wieder neue Kunsthandwerker zu zeigen, setze er auf Beständigkeit. „Es ist schwierig, hier reinzukommen“, sagt sie. Deshalb bleibe sie, auch wenn es vergangenes Jahr nicht ganz so gut lief. Sie beobachte einen Trend zur Wertigkeit, sogar jüngere Leute würden beginnen, Keramik zu sammeln, um stolz eine handgearbeitete Teetasse in der WG zu präsentieren. Ein Trend zur Nachhaltigkeit, zum Selbstgemachten. „Die Leute haben das Gefühl, die Welt draußen nicht beeinflussen zu können, aber die drinnen schon“, sagt sie. Also, warum es sich nicht dort besonders schön machen. Der Töpfermarkt füllt sich schnell am Freitagnachmittag.